Langfahrt auf einer Bandholm 24 | auf sieben Metern durchs Mittelmeer

Von Philipp Muessig

Nach dem Abi mit einer Bandholm 24 auf Langfahrt im Mittelmeer. Doch wie bin ich überhaupt auf die Idee gekommen? Die meisten machen ja nach dem Abi das übliche Work and Travel in Australien bzw. Neuseeland oder backpacken in Südamerika. Mir kommt so etwas gar nicht in den Sinn, da is ja schließlich nix mit segeln dabei… Also eines steht fest ich will auf dem Wasser unterwegs sein.

So entsteht langsam der Plan von Slowenien über Italien nach Rhodos zu segeln. Auf Rhodos haben wir Freunde, er arbeitet seit gut 40 Jahren als Skipper und kann mir einen billigen Landliegeplatz organisieren. Natürlich fehlt noch das wichtigste, ein Boot, auf meinem alten Opti werde ich die Tour wohl kaum segeln. Also wird fleißig der Gebrauchtbootmarkt durchforstet, bis ich eines Tages auf eine Anzeige stoße „Bandholm 24 aufgegebenes Restaurationsprojekt“ , die Bilder lassen auf einen beachtlichen Berg Arbeit schließen, jedoch scheint der Rumpf in solidem Zustand zu sein, die meisten Teile sind vorhanden und das Boot steht nur 60 km von mir entfernt. Also fahre ich an einem Freitag nach der Schule mit meinem Kumpel Xaver und meinem Vater das Boot anschauen. Wir sind alle drei der Meinung, dass die Bandholm in anderthalb Jahren wieder in alter Pracht glänzen wird, so folgt auf die Besichtigung schnell der Kauf und zwei Wochen später steht die Bandholm bei Xaver in der Halle. Stellplatzgebühren werden in Form von Paulaner Spezi, Weißbier, Scotch und Kuchen beglichen, dafür steht mir sogar eine weitere Halle voller Maschinen und Werkzeug zur Verfügung. Einen besseren Ort für den Refit hätte ich nicht finden können.

Doch gerade als der Refit beginnen soll, sind plötzlich die Nachrichten voll von Corona und es geht in den ersten Lockdown. Die Arbeit steht vorerst still, dafür habe ich viel Zeit die Onlineshops von SVB, Toplicht und co. nach brauchbaren Ersatzteilen zu durschstöbern. So bin ich gut gerüstet, als die Beschränkungen wieder gelockert werden und mache mich gleich an die Arbeit. Die Reste des alten Dieselmotors und Hydraulik-Systems werden ausgebaut, die alte Elektrik kommt weg und der gesamte Rumpf wird innen und außen ordentlich geschrubbt.

Die Schule hat teilweise auf Distanzunterricht umgestellt, was mir natürlich sehr gelegen kommt, da ich jetzt schon morgens zu meinem Boot fahren kann, das Tablet für die Videokonferenz im Gepäck. Im Laufe des nächsten Jahres wurde die ein oder andere Videokonferenz durch das Geräusch meines Hilti’s oder der Makita Flex unterbrochen, glücklicherweise ohne negative Auswirkungen auf meine Noten (Mal abgesehen von Deutsch).

Los geht es an Deck, es wird gespachtelt, geschliffen, mehr gespachtelt, und wer hätts gedacht, mehr geschliffen. An einem heißen Tag Mitte August bekommt das Deck von Xaver und mir endlich seinen ersten Anstrich, wobei wir noch in den ersten zehn Minuten feststellen, dass es doch ganz schlau gewesen wäre neben Lack auch zwei Atemschutzmasken zu kaufen… dann eben beim nächsten Mal. Nach einer guten Stunde betrachten wir leicht benebelt das Ergebnis unserer Arbeit. Vier Schichten Lack später fange ich an Beschläge, Winschen und Reling wieder anzubringen.  Darauf folgen die neuen Fenster und die frisch lackierten Türen kommen an ihren alten Platz im Niedergang. Wie man Sikaflex ohne einen halben Liter Aceton von den Händen bekommt habe ich aber immer noch nicht herausgefunden.

Weihnachten und Geburtstag sieht jetzt auch anders aus. Ich wünsche  mir anstatt eines neuen Handys oder Monitors so Sachen wie Werkzeugkoffer, einen Hilti Akkuschrauber, Töpfe, Teller, Schüsseln, Tassen, Gläser, Besteckset, Schneebesen… was ein normaler 19 jähriger eben so braucht.

In der Schule hat sich mein Vorhaben schnell rumgesprochen und die meisten halten mich wohl insgeheim für bekloppt, wir sind ja schließlich in Niederbayern und nicht am Chiemsee, geschweige denn an der Küste. Aber trotzdem zeigen ein paar Freunde auch Interesse an meinem Projekt und unterstützen mich mit Arbeitseinsätzen. Die vielen Freistunden in der Oberstufe kommen mir ebenso sehr gelegen, sodass ich nicht selten zwischen Englisch und Mathe zu Obi fahre, um Schleifpapier oder Edelstahlbolzen zu kaufen.

Als der Rumpf außen wieder aussieht als käme das Boot frisch aus der Werft, mache ich mich an den Innenausbau. Unter dem Niedergang installiere ich ein neues Echolot, in Öl gelagert, so muss ich kein Loch in den Rumpf bohren, ein 40l Kompressor Kühlschrank kommt daneben. Alle Holzoberflächen werden geschliffen und frisch geölt, ich installiere neue Wasserschläuche und reinige den Wassertank. Alle Schapps werden wieder eingebaut und ich klebe die neue Deckenverkleidung ein. Jetzt kann ich mich an die Elektrik machen, 240Ah AGM Batterien kommen in die Bugkabine, das neue Schaltpanel schraube ich in eine Aussparung im Bulkhead und die Verteilerschiene bekommt einen kleinen Kasten, der hinten im Kleiderschrank verschwindet. Das Funkgerät findet seinen Platz ebenfalls unter dem Niedergang. Beim Einbau der Decksdurchführung des Antennenkabels (von Bavaria, laut Beschreibung für die 40-45 Fuß Modelle geeignet) stelle ich erfreut fest, dass das Deck meiner BA 24 wohl dicker ist als das einer 44er Bavaria. Ein wenig Komfort muss natürlich auch sein, deswegen darf der Autopilot nicht fehlen und im ganzen Boot installiere ich indirekte LED Beleuchtung, natürlich über das Handy gesteuert. Sogar einen Windgenerator bekommt meine kleine Bandholm. Solar wird in Korfu nachgerüstet. Die neuen Polster mache ich selbst als mich in der Quarantäne die Langeweile überkommt. Zwei Matratzen habe ich ein paar Tage zuvor bei Aldi gekauft. Ich bestelle Stoff, Reißverschluss und Garn auf Amazon, dazu ein YouTube Tutorial und los geht’s. Nach anderthalb Wochen habe ich fünf neue Polster für Salon und Bugkabine, so wie ein paar Vorhänge. Das Boot ist soweit fertig und klar zum Wasserlassen, ich muss nur noch die alten Fallen im Mast gegen neue aus Dyneema tauschen.

Es ist Anfang April 2021 als ich meine Bandholm erstmals im Brückelsee bei meinem Segelverein zu Wasser lasse. Ich habe vielleicht nicht das größte Boot am See aber mit Abstand das schwerste. In den nächsten Monaten verbringe ich fast jedes Wochenende mit Freunden am See, es wird geschraubt, gesegelt und am Lagerfeuer gegrillt. Während ich mein Abi schreibe holen meine Eltern den neuen Außenborder, drei Schwimmwesten und ein bisschen Pyrotechnik in Hamburg. Jetzt ist das Boot komplett ausgerüstet und bereit nach Slowenien getrailert zu werden. Ende Juli bekomme ich endlich mein Abi Zeugnis und sitze am nächsten Morgen pünktlich um 8, leicht verkatert, in der SRC Prüfung in München. Beides bestanden.

1.8.2021 die Reise kann beginnen.

Mein Vater hat einen Sprinter organisiert, wir holen den Trailer, Kranen das Boot aus dem See und fahren es erst einmal nach Hause. Dort angekommen wird alles was ich noch an Bord brauche eingeladen, sodass es am nächsten Morgen gleich losgehen kann. Um 6 Uhr morgens fahren unser Nachbar, mein Vater und ich los nach Izola. Wir kommen noch rechtzeitig an um am selben Tag zu Kranen. Alles klappt reibungslos, nur der Außenborder sitzt etwas wackelig auf der Halterung, dieses Problem kann aber mit vier extra Bolzen behoben werden. Am Abend bekomme ich eine Nachricht von einem meiner Instagram Follower, es stellt sich heraus, dass er am Nachbarsteg liegt. Ich werde spontan auf ein paar Bier eingeladen und alle wünschen mir viel Spaß auf meiner Reise. Am nächsten Morgen macht sich unser Nachbar mit Sprinter und Trailer auf den Heimweg, mein Vater und ich machen die Leinen los und setzen Kurs auf Grado. Das Wetter ist perfekt angenehme 15kn von der Seite, solche Segeltage gab’s nicht oft auf meiner Reise.

Unser nächster Stop führt uns nach Venedig und wir machen längs vor einer österreichischen Yacht fest. Wir setzen gerade das Nudelwasser auf als uns der Skipper zum Essen und Wein Tasting einlädt, da zögern wir nicht und sitzen kurz darauf bei den Nachbarn im Cockpit, es gibt selbst gemachten Wein, Wurst und Brot. Ich und mein Boot machen einen Großteil der Gespräche an diesem Abend aus und ich realisiere langsam, dass ich mit meinem Boot wohl ein sehr auẞergewöhnliches Projekt gestartet habe. Wir verbringen noch einen Tag in Venedig und tuckern vor der Weiterfahrt am Markusplatz vorbei. Einmal und nie wieder, hier fährt jeder Kreuz und quer schlimmer als bei der Kieler Woche.

In den nächsten paar Tagen arbeiten wir uns die Küste Richtung Süden vor, Abends gehen wir meist Pizza essen, bleiben in den einzelnen Häfen aber nur über Nacht. Den Motor nutzen wir kaum. Auf der Etappe von Fano nach Civitanova Marché wird es etwas spannender, wir segeln bei konstanten 30-35kn und 2-3m Welle. Teilweise steigt die Geschwindigkeit auf 11kn, hier merke ich, dass meine „Tamata“ für die Nordsee konstruiert wurde. Die Wellen interessieren sie kaum. In Civitanova setze ich meinen Vater ab, meine Familie macht mit Freunden ganz in der Nähe Urlaub, ich bleibe auch noch drei Tage bevor ich mich wieder auf den Weg mache. Eine Etappe fährt mein Bruder mit zwei Freunden mit, unterwegs gibt’s einen kurzen Badestopp.

Ein paar Tage später nehme ich in Termoli spontan einen Studenten aus Innsbruck an Bord, wir segeln gemeinsam bis Bari. Von Termoli fahren wir erst Mal auf die Tremiti Inseln und machen an einer Mooring fest. Es gibt ein hübsches kleines Dorf, ein paar Ruinen, an einem Nachmittag haben wir aber alles gesehen. Als wir in Rodi Garganico fest machen, kommen gleich drei andere Segler auf mich zu und fragen begeistert, wo die Reise hingehen soll. Ich bekomme sogar ein Jobangebot als Segellehrer, das ich leider ablehnen muss. In Bari treffe ich eine ehemalige Schulkameradin, wir haben uns mitten in der Stadt vor dem Yachtclub verabredet, hier gibt es Bier am Parkplatz, direkt von der Ape und irgendjemand hat eine ganze DJ Ausrüstung im Eck aufgebaut, wir sitzen auf der Hafenmole und genießen den Abend.  

Auf dem Weg nach Brindisi mache ich meine erste Nachtfahrt, ablandige 10-12kn sorgen für angenehmes segeln, dafür fahre ich im Slalom um die vielen Fischerboote. Ich bleibe zwei Tage, erkunde die Stadt und lege mir eine Angelausrüstung zu. Bevor ich nach Griechenland übersetze, mache ich noch halt in Otranto, hier wird mir von der Küstenwache jedoch die Einfahrt in den Hafen verweigert und ich muss in 10m Tiefe den Anker werfen. Glücklicherweise herrscht totale Flaute. Auch tanken darf ich aus irgendeinem Grund nicht… mit nicht ganz vollem Tank geht es also los in Richtung Korfu.

Die See ist spiegelglatt, der Außenborder tuckert vor sich hin, ab und zu schaukelt mich die Heckwelle eines Frachters durch. Ich kann nur hoffen, dass der Sprit reicht. Auf halber Strecke bekomme ich Besuch von einem entgegenkommenden Wal, er ist etwas größer als mein Boot ca. 8-9m und schwimmt mit fünf Metern Abstand gemütlich an mir vorbei. Um 0400 werfe ich in Erikoussia den Anker. Ich liege seit Beginn meiner Reise zum ersten Mal neben anderen Langfahrern. Italien war zwar voller Yachten nur segelt dort kaum jemand. Am nächsten Morgen geht es weiter nach Korfu in die Marina, gegen Mittag frischt der Wind für ein paar Stunden auf und ich muss nicht die gesamte Strecke motoren. Als ich die Marina anfunke, werde ich nach meiner Schiffslänge und -breite gefragt, als ich sage 24 Fuß lang und 2,3m breit, soll ich vor der Hafeneinfahrt warten. Dem Gesichtsausdruck des Marineros entnehme ich, dass ich wohl die erste Yacht mit weniger als 9m Länge hier bin. Glücklicherweise werde ich aber nicht weggeschickt, sondern bekomme einen Liegeplatz in erster Reihe, direkt vor dem Yacht Café. Ich habe noch drei Liter Benzin im tank. In den nächsten Tagen wird noch ein bisschen am Boot geschraubt. Täglich werde ich von anderen Crews auf meine Bandholm angesprochen, sie sticht zwischen den ganzen Production Yachts einfach ins Auge.

Auf dem Weg nach Süden lasse ich es mir natürlich nicht nehmen vor dem kaiserlichen Anleger zu ankern und mit meinem Dinghy dort anzulegen. So mache ich mich auf zum Achilleion, den Weg habe ich etwas unterschätzt und genehmige mir oben angekommen erst Mal einen Liter Eistee. Aber es hat sich gelohnt, die Kaiserin Sissi hat sich hier ein hübsches Häuschen mit einem prachtvollen Anleger bauen lassen. Der Ausblick ist großartig und ich kann sogar mein Boot erkennen. Im Museumsshop kaufe ich noch eine kleine Statue für das altgriechisch Klassenzimmer meiner alten Schule.

Mein nächster Halt führt mich nach Sivota an der Festlandküste, ich anker in einer kleinen Bucht mit sechs anderen Yachten. Ich steige mit eine paar Dosen Bier in mein Dinghy und ruder in Richtung Strand. Dort sitzen schon vier Männer, einer imitiert einen Rückfahrpiepser, wie man ihn aus dem Auto kennt, als ich mein Dinghy gezielte strande. Die vier kommen ebenfalls aus Deutschland und fragen mich direkt was ich mit meiner Nussschale hier mache. Wir trinken gemeinsam das Bier und ich erzähle von meiner bisherigen Reise. Am Abend werde ich zum Essen eingeladen und wir treffen uns um 1800 vor der Taverne wieder. Hier sitzen wir also; ein Unternehmer, sein Steuerberater, ein Manager, ein Restaurateur der gebürtig aus Sivota kommt und mit der Tavernen Besitzerin im Kindergarten war und ich. Das Essen ist Lecker, die Gespräche sind amüsant und der Wein fließt in Strömen, ein richtiges Symposium eben. Um 0200 torkel ich zurück zu meinem Dinghy und lasse mich vom Wind zu meinem Boot treiben. Ich bleibe noch zwei Tage in Sivota bevor ich mich auf den Weg nach Preveza mache.

Der Wind weht mit 10kn aus Süden, ich muss kreuzen, Nachmittags dreht er auf West und schläft gegen 2100 ganz ein. Um 0100 mache ich schließlich in Preveza am Stadthafen fest, es gibt nur noch einen freien Platz und wie es der Zufall so will stehen dort zwei Müllcontainer… ich schlafe mit einem leichten Mief in der Nase. Mittags wird ein anderer Platz frei und ich verhole das Boot. Xaver ist auch schon da und wir machen uns auf, um die Ruinen eines antiken Theaters und mehrerer Castelle zu erkunden.

Auf dem Weg nach Lefkas weht der Wind ablandig mit ca. 30kn und wir rauschen mit konstanten 6,5kn dahin. Wir bleiben zwei Nächte in der überteuerten Marina und setzen uns abends in eine Kneipe am Wasser. Tags drauf noch ein Besuch im Museum und Wäsche muss auch Mal gemacht werden. Ein paar Tage später werfen wir den Anker vor Ithaca, wie es einst Odysseus getan haben muss. Wir nehmen uns drei Tage um zu Fuß alles anzuschauen, was wir bisher nur aus unseren griechisch Büchern kennen. Die Höhle des Odysseus ist unser Highlight, diese befindet sich hoch oben in den Bergen und im Höhleneingang steht ein großer majestätisch wirkender Baum. Auf dem Weg nach Zakynthos schicken Xaver und ich eine Photobox  mit Bildern des bisherigen Abenteuers an unsere ehemaligen Griechischlehrer, sie kam gut an ;). Später fliegt Xaver von dort wieder nach Hause und ich schaue mir die Wettervorhersage für die nächsten Tage an, da ich in der Shipwreck Bay auf der anderen Seite der Insel ankern möchte. Es sieht nach Flaute aus, also mache ich mich gleich auf den Weg. Außer mir liegen noch drei andere Yachten in der Bucht aber glücklicherweise kein einziger Turi Dampfer. Ich habe den Strand für mich und setze mich auf das rostige Wrack um den Sonnenuntergang zu genießen. Als ich mich in meine Koje verkrieche ist es fast Windstill, gegen 0200 werde ich vom pfeifen des Windes in meinem Rigg geweckt. Es fegt mit 35-40kn von den Klippen um die Bucht und mein Anker wird langsam durch den sandigen Grund gezogen. Ich hole den Anker hoch, setze ihn in flacherem Wasser neu und werfe meinen 20kg Stockanker hinterher. Es hält, aber ich vertraue dem Ganzen nicht, also heißt es Ankerwache bis der Wind nachlässt. Als es gegen 0900 noch ein bisschen weiter zunimmt, bändsel ich meine Fock ordentlich an der Reling fest und schlage meine Sturmfock mit stolzen 2m² Fläche an das zweite Vorstag an, hole die Anker hoch und verkrieche mich aus der Bucht. Der Wind weht weiter mit gut 40kn die Küste runter, in den Böen zeigt mein Windmesser nur noch „ERROR“ an. Ich mache mit meiner Sturmflock und einem gekenterten Dinghy im Schlepp immer noch gute 4,5kn Fahrt. Im Süden von Zakynthos finde ich eine gut geschützte Bucht, in der ich die nächsten zwei Tage verbringe. Am Abend bevor ich mich auf den Weg nach Katakolon mache, winken mich meine amerikanischen Nachbarn noch auf einen Drink zu sich rüber. Als ich meine Fock setze hängt das Fall ein wenig, ich ziehe nichtsahnend etwas kräftiger, das Fall läuft zwar wieder aber ich habe das Antennenkabel rausgerissen…  wie gut, dass meine Eltern schon in Katakolon warten und wir das Problem schnell aus der Welt schaffen können.

Am nächsten Tag geht’s mit dem Auto nach Olympia. Ich kann endlich die wichtigste Station meiner verpassten Abifahrt nachholen (danke Corona). Die riesigen Säulen des Zeus Tempels sind überaus eindrucksvoll. Nachmittags schauen wir uns das Museum an und ich decke mich mit Büchern über Mythologie und stoische Philosophie ein, da mir der Lesestoff ausgegangen ist. Ihr merkt sicher schon ich habe ein leichtes Fabel für das antike Griechenland ;). Auf den nächsten beiden Etappen nach Pylos dürfen meine Eltern abwechselnd auch Mal mitfahren. Es ist der 5. Oktober, mein 20. Geburtstag, als wir in Pylos anlegen. Abends gehen wir noch essen und am nächsten Morgen fliegen meine Eltern zurück nach Hause.

Pylos ist ein ruhiger kleiner Ort mit einer ganz besonderen Marina, diese hat nämlich keinen Betreiber, so hat sich über die Jahre hier eine kleine Langfahrer Community entwickelt. Ich werde am Tag nach meiner Ankunft von mehreren Crews willkommen geheißen. Eigentlich wollte ich hier nur zwei Tage verbringen aber das Wetter spielt nicht mit. Mein Bootsnachbar, 1,95m groß, ehemaliger Elitesoldat mit einer Statur die Arnold Schwarzenegger nah kommt, bietet an ein Auge auf meine Tamata zu halten. Ich nehme das Angebot gern an und beschließe mein Boot in Pylos zu lassen, um mich auf den Weg nach Rhodos zu machen. Dort bleibe ich ein paar Tage bei unseren griechischen Freunden. Ich verbringe die meiste Zeit in Rhodos Stadt, auch wenn ich schon so ziemlich alles kenne wird mir hier nicht langweilig. Auf Facebook sucht zur selben Zeit jemand Crew um eine Bavaria von Rhodos nach Athen zu überführen, ich biete also meine Hilfe an und bin auch gleich dabei. Leider haben wir nicht viel Zeit für Stops, um ein gestrandetes Wrack auf Amorgos anzuschauen reicht es aber. Mit Moritz, dem Skipper bleibe ich in Kontakt.

Zurück in Pylos lässt das gute Wetter immer noch auf sich warten, nach einer weiteren Woche kann ich endlich los und arbeite mich südlich um die Peloponnes. Am mittleren Finger anker ich in einer gut geschützten Bucht, es gibt nicht viel, zwei Tavernen und ein kleines Hotel. Trotzdem liegen hier Ende Oktober gut 15 Yachten vor Anker. Am Abend Paddel ich an Land und setze mich in eine der beiden Tavernen, kurz darauf gesellen sich die anderen 15 Crews dazu, sie gehören alle zusammen. Die ersten Fragen, ob ich mit der „Tamata“ unterwegs wäre lassen nicht lange auf sich warten, fünf Minuten später sitze ich mit einem Haufen Briten, Niederländern und Franzosen am Tisch und beantworte so viele Fragen, dass ich kaum zum Essen komme. Als wir mit dem Essen fertig sind, holt jemand eine Gitarre raus und es werden ein paar Runden Sweet Caroline und andere Party Klassiker gesungen. Als sich das Gelage langsam auflöst, wird mir gesagt, dass mein Essen und Getränke schon bezahlt sind, außerdem werden mir noch drei große Schüsseln Essen in die Hand gedrückt.

Die restliche Strecke bis Monemvassia muss ich leider motoren. Dort angekommen mache ich in dem kleinen Stadthafen fest, Liegegebühren werden nicht fällig, Strom und Wasser sind auch kostenlos. Ich beschließe ein paar Tage zu bleiben. Das alte Monemvassia ist auf einer ovalen Insel in deren Mitte sich ein Felsplateau erhebt, an der Südseite gibt es ein kleines Dorf mit engen Gassen und vielen kleinen Läden. Hier wurde vor über 2000 Jahren ein Pfad in den Fels geschlagen, der bis heute die einzige Möglichkeit darstellt auf das Plateau zu gelangen. Ich nehme mir jeweils einen Tag Zeit, um die Ruinen auf dem Plateau und das Dorf zu erkunden. Als ich am zweiten Tag zurück zu meinem Boot komme, parkt ein deutsches Wohnmobil im Hafen. Als die Besitzer, ein Rentner Ehepaar, mich sehen kommen sie gleich rüber. Die beiden brauchen Strom, haben aber keinen passenden Adapter, ich kann leider auch nicht weiterhelfen, werde aber Mal wieder auf ein paar Bier eingeladen. Wir unterhalten uns lange über das Reisen und ich bekomme, wie so oft, viele Fragen zu meiner „Tamata“. Ich gehe recht spät zurück auf mein Boot und krieche am nächsten Morgen erst gegen 1000 aus der Koje, als ich ins Cockpit gehe finde ich dort einen Zettel. Die beiden wünschen mir noch viele unvergessliche Abenteuer und hoffen, dass ich so „außergewöhnlich“ bleibe.  

Das Tanken vor der Abfahrt nach Milos gestaltet sich schwierig, der Tankwart lag noch im Bett.. so ist es 1100 als ich endlich die Leinen los machen kann. Der Wind lässt mich Mal wieder im Stich, wenigstens kann ich Motorsegeln. Der Kurs ist simpel 75nm genau nach Osten. Um 0400 mache ich in dem kleinen Hafen fest. Es sind vier andere Yachten an der Pier:

  • Mark und Tina aus Sydney, die beiden sind seit 4 Jahren mit der „Thinking of Dave“ auf Weltumsegelung.
  • Rob aus England, segelt eine alte Holzyacht, die er in der Türkei hergerichtet hat zurück nach England wo sie gebaut wurde.
  • Tim und Karena ebenfalls aus Sydney, haben lange im Silicon Valley gelebt und in Tech start-ups gearbeitet. Die beiden haben alles verkauft und sind nach Griechenland auf einen Motortrawler gezogen.
  • Klim aus Sotschi, 19 Jahre alt, ist auf einem kleinen alten sovietischen Holz-GFK Boot unterwegs.

Als ich am nächsten Vormittag aufstehe werde ich von Tim herzlich begrüßt und bekomme eine Schüssel selbst gemachte Kekse in die Hand gedrückt noch bevor ich überhaupt seinen Namen kenne. Auch die anderen heißen mich willkommen. Am Abend sind alle bei Tim und Karena auf der „Matilda“ eingeladen. Es gibt Snacks und eine gute Auswahl an Drinks, gegen 2100 machen wir uns auf in eine Taverne. Wir reden über Gott und die Welt, philosophieren über das Segeln und erzählen von unseren bisherigen Erlebnissen. Diese abendliche Runde wird fortgeführt bis wir uns auf jedem Boot einmal getroffen haben. Tagsüber erkunde ich den Ort und werde auf dem Weg zum Supermarkt von Tim und Karena aufgegriffen, die beiden haben einen Mietwagen. Wir machen spontan noch einen kurzen Ausflug und verabreden uns für den nächsten Tag für eine Inselrundfahrt. Auf dem Weg zu unserem ersten Ziel sehen wir Klim am Straßenrand und nehmen ihn auch noch mit. Wir fahren zu den berühmten weißen Felsen im Norden der Insel, anschließend geht es querfeldein in einen stillgelegten Tagebau. Mittag machen wir in einem kleinen Dorf am Wasser halt und Nachmittags besuchen wir ein paar Ausgrabungsstätten, die einst die Küste beim Einfahren in die innere Bucht zierten. Am letzten Abend versammeln wir uns alle im Salon meiner „Tamata“. Mark und Tina drehen mit mir ein Video in dem ich eine kleine Bootstour gebe und erkläre was ich alles selbst hergerichtet habe. Wir tauschen noch Kontaktdaten aus und stehen bis heute in Verbindung (mit Tim habe ich später sogar einen Podcast aufgenommen). In der Früh trennen sich unsere Wege.

Mein nächster Halt führt mich nach Ios, im Sommer wohl eine sehr schöne Insel, Mitte November ist alles dicht und die Insel scheint fast unbewohnt. Nicht einmal ein Auto kann ich mieten, ich müsste mindestens 23 sein… ich sitze also eine Woche im Hafen fest und langweile mich halb zu Tode während ich auf besseres Wetter warte. Der Meltemi weht die ganze Woche mit guten 8bft die Ägäis runter.

Nach Astipallia bringt mich zum wiederholten Male mein treuer Flautenschieber. Ich mache um 0330 längs an der Pier fest. Die einzige andere Segelyacht hat eine deutsche Flagge am Heck. Ich bin gerade noch dabei das Boot ein wenig aufzuräumen, als die Crew des Nachbarboots die Pier runter kommt. Wir unterhalten uns noch kurz und ich erfahre, dass die beiden hier vier Monate im Lockdown festgesessen sind. Seit dem kommen sie aber irgendwie nicht mehr von hier los. Als ich in der früh aufstehe, sehe ich einen Mast um den Wellenbrecher fahren, kurz darauf kommt eine Sirius 40 DS ums Eck, die „Amazing Grace“ ebenfalls unter deutscher Flagge. Ich helfe der Crew beim festmachen und schwupps bin ich zum Abendessen eingeladen (langsam Frage ich mich warum ich eigentlich Essen kaufe, wenn ich eh halb durchgefüttert werde). Eine Bootstour bekomme ich auch noch. Die nächsten Tage machen wir zwei Ausflüge und das Bier am Abend geht auch aufs Haus.

Langsam geht es auf die Zielgerade. Auf der Überfahrt nach Kos habe ich herrlichstes Segelwetter, 20-25kn leicht achterlich, ich mache konstante 6,5kn mit meiner „Tamata“. In der Marina in Kos werde ich schon vom Hafenmeister persönlich erwartet, obwohl ich nicht einmal einen Liegeplatz reserviert habe. Mein griechischer Freund hat mir schon die Liegeplätze in den nächsten drei Häfen organisiert, er ist mit den jeweiligen Hafenmeistern befreundet.

Auf Kos verbringe ich vier Tage. Die ersten drei in Kos Stadt, dort besuche ich die örtlichen Ausgrabungsstätten und Museen. Die restliche Zeit erkunde ich die Stadt. Am dritten Tag packe ich früh morgens meinen Rucksack und mache mich auf den Weg zum Asklepieion, dem antiken Heiligtum des Asklepios. Dort beteten und opferten Kranke dem Gott für ihre Heilung. Ich bin der einzige Besucher. Die Anlage ist selbst für heutige Verhältnisse riesig. Sie besteht aus drei terassenähnlichen Stufen, jede ist gut acht Meter hoch. Insgesamt ist das Asklepieion ca. 150m breit und 400m lang. Von dort aus gehe ich weiter zu einer Burgruine, die sich auf dem Gipfel am Rand des Gebirges befindet, dieses erstreckt sich längs der gesamten Insel. Der Weg den ich gewählt habe ist ein kleines Abenteuer für sich und führt meist querfeldein durch die bergige Landschaft. Überall laufen Ziegen und Schafe frei herum, und einmal muss ich mir den Weg durch eine riesige Herde Ziegen Bahnen. Gegen 1500 komme ich endlich an der Burg an. Die Strapazen haben sich gelohnt, die Aussicht ist herrlich und es gibt viel zu sehen. Jetzt muss ich nur noch 20km zu Fuß zurück in die Marina gehen. Nach 40km und gut 800 überwunden Höhenmetern genehmige ich mir zwei kühle Blonde und einen fetten Burger.

Auf dem kurzen Trip nach Nisyros muss ich Mal wieder Motorsegeln. Kaum habe ich an der kleinen Außenmole festgemacht fährt ein Auto auf mich zu. Ein älterer Grieche sitzt drin und frägt ob ich „Λάκις“ kenne. Natürlich das ist mein Freund auf Rhodos. Er ist sichtlich erfreut und will wissen ob ich irgendwas brauche, darauf antworte ich, dass ich einen Mietwagen bräuchte um hoch auf den Vulkan zu fahren. Ich habe kaum meinen Satz beendet, da halte ich einen Autoschlüssel in der Hand und er zeigt auf ein rotes Auto gegenüber vom Hafen, wenn ich es nicht mehr brauche soll ich 20€ rein legen und den Schlüssel aufs Dach. Wenn es doch immer so einfach ginge. Am nächsten Morgen fahre ich hoch in den Krater, es stinkt furchtbar nach faulen Eiern, aber der Anblick entlohnt allemal. Anfang Dezember bin ich wieder Mal der einzige dort. Im Krater gibt es ein paar brodelnde Schlammlöcher und überall strömt Schwefel aus der Erde. Ich mache noch ein paar Aufnahmen mit der Drohne und fahre dann runter ins Dorf. Am nächsten Tag schleiche ich mich in eine riesige Bauruine, die eigentlich ein Wellness Resort mit Thermalquellen werden sollte. Ich brauche ganze drei Stunden um den gesamten Komplex abzulaufen.

Es ist der 4. Dezember, als ich die letzte Etappe meiner Reise antrete. Gegen 1000 mache ich die Leinen los und motorsegle nach Rhodos, die Überfahrt ist Recht ereignislos und ich mache um 2330 im Mandraki Hafen fest. Ich liege zehn Meter von meinem Lieblingsort entfernt, dem Yacht Café. Leider bleibt mir nicht viel Zeit den Liegeplatz auszukosten, am Tag drauf geht es aus dem Wasser. Das Kranen läuft problemlos und nach 2h steht die Tamata aufgebockt zwischen lauter Yachten die meist doppelt so lang sind. Ich fange gleich an das Boot sauber zu machen und staune nicht schlecht als ich am Ende meiner Putz Aktion mit drei großen Müllsäcken da stehe. Anschließend wird noch alles aufgeräumt, den Inhalt der Backskisten räume ich weitestgehend ins Boot und der Außenborder darf in der Bugkabine überwintern. Segel und Schoten werden noch verstaut, dann muss ich nur noch meine Taschen packen. Wir gehen noch ein letztes Mal essen, dann heißt es Abschied nehmen, zumindest bis zum nächsten Sommer. Früh am Morgen geht es zum Flughafen und ab nach Hause.

Insgesamt war ich 121 Tage unterwegs, habe 1510nm im Kielwasser gelassen, an 50 Orten halt gemacht, viele schöne und auch ein paar nicht so schöne Erlebnisse gehabt und Kontakte auf der ganzen Welt geknüpft.

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